Bau der Zimmerei von Felix Gantner (1930) 

 

 

 

 

 

 

 

 

Historische Schauwerkstatt

Ältere Waldnerinnen und Waldner erinnern sich noch an Johann Keßler, der gegen Ende seines Lebens so etwas wie der „Arme-Leute-Schreiner“ in Wald am Arlberg war. Er war gelernter Wagner und Zimmermann, seine Werkstatt befand sich im Stallgebäude des „Keßler-Hemats“. 

Nachdem er kinderlos verstorben war, kamen Stall und Werkstatt an eine andere Besitzerfamilie, wobei die Werkstatt so erhalten blieb, wie sie noch in den 1950-er Jahren betrieben worden ist. 

Nachdem das historische Keßler-Anwesen nunmehr an eine junge Besitzerfamilie übergegangen ist, wird auch das Stallgebäude mit der historischen Werkstatt umgebaut. Es bot sich allerdings die Chance, die Werkstatt – die zum wertvollen materiellen Kulturerbe des Klostertals gehört – in einem anderen Rahmen wieder einzurichten und dort öffentlich zugänglich eine Stätte für historisches Schauhandwerk zu installieren. 

 

Als Präsentationsort bietet sich der leer stehende Betrieb des Zimmermeisters Felix Gantner an, der bei Johann Keßler die Lehre absolviert hatte. Das Gebäude ist überdies interessant, beherbergte es doch früher eine Tapetenfabrik und im 

19. Jahrhundert sogar eine Zündholzfabrik. 

 

Von der Zündholzfabrik zur Schauwerkstatt 

In der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand an der Stelle der heutigen Werkstätte eine Zündholzfabrik. Dabei handelte es sich um den ersten Industriebetrieb in Wald. Als Gesellschafter dieser Fabrik scheinen „Darthe, Fritz und Compagnie“ auf. Es handelte sich dabei um die Söhne des Bärenwirts Jakob Darthe und ihren Schwager Johann Lorenz Fritz, einen bekannten Geschäftsmann in Dalaas (vulgo „Hannas“). Die Fabrik brannte im März 1866 ab, wurde in weiterer Folge aber 

wieder aufgebaut. Nachdem seine Geschäftspartner nach Wien gezogen waren, verkaufte Fritz 1891 die Fabrik, deren Betrieb eingestellt worden war, an den aus Frastanz stammenden Martin Reisch. Dieser richtete eine Tapetenfabrik ein, denn die Einrichtung von Häusern mit Tapeten war zu jener Zeit in Mode gekommen. 

Das Wohnhaus stand früher an der Oberen Gasse bei der Abzweigung Richtung Radona. Es wurde von Reisch abgetra- gen und neben der Fabrik wieder aufgebaut. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde der Besitz an den Wiener Fabrikanten Viktor Pelz verkauft, der jedoch im Ersten Weltkrieg vermisst blieb. 

Das leer stehende Gebäude erwarb in den 1920-er Jahren der Schreinermeister Josef Fritsche. Er errichtete am Sägenbach (benannt nach der an der Oberen Gasse stehenden Säge, an deren Stelle noch im 19. Jahrhundert eine Mühle gestanden hatte) eine Eingattersäge, um seinen Bedarf an Brettern decken zu können. Seinen Betrieb verkaufte er schließlich an Felix Gantner, der 1930 ein neues Werkstättengebäude errichtete und hier eine Zimmerei betrieb. 

Seit Sommer 2020 ist hier eine Schauwerkstätte eingerichtet, in der einerseits die Geschichte des Gebäudes und andererseits historische Handwerkstechniken vermittelt werden. 

 

Altes Handwerk 

Der Teuchelmacher Robert Mangeng stellt Wasserleitungsrohre aus Holz her.

Das Leben der Menschen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in einem Tempo und einem Ausmaß verändert, wie dies niemals zuvor der Fall gewesen war. 

Erfindungen und Fortschritte gab es zu allen Zeiten, aber es benötigte meist Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, bis diese sich durchsetzen konnten. Jenen Generationen, die in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts oder nach der Jahrtausendwende aufgewachsen sind, ist oft gar nicht bewusst, wie sehr sich ihre Lebenswelt von der ihrer Groß- und Urgroßeltern unterscheidet. Der Strukturwandel in den Städten und auch auf dem Land hat dazu geführt, dass viele der alten Techniken, die über Jahrhunderte gewachsen sind, größtenteils verloren gegangen sind. 

Dabei hat das alte Handwerk sowohl das Leben in den Städten wie auch auf dem Land seit jeher geprägt. In jedem auch noch so kleinen Dorf gab es Sägen, Schmieden und andere Betriebe, die wichtige Dienstleister für die Bevölkerung waren. Der wichtigste Werkstoff war Holz, der nicht nur von Tischlern und Wagnern, sondern vielen anderen Handwer- kern bearbeitet wurde. Solche alten Handwerkstechniken werden in der Schauwerkstätte präsentiert. 

Wer sich mit solchen Techniken auseinandersetzt, bekommt ein Gespür dafür, wie mit Rohstoffen, bäuerlichen und anderen Geräten und der Landwirtschaft ganz grundsätzlich in früheren Zeiten umgegangen wurde. Das ist wichtig, gerade in Zeiten, in welchen uns bewusst wird, dass die Reserven der Erde nicht endlos zur Verfügung stehen. Der heute viel strapazierte Begriff „Nachhaltigkeit“ wurde einst im Umgang mit Holz entwickelt. Das Prinzip war für viele Menschen vergangener Generationen eine Selbstverständlichkeit, ohne dass sie diesen Begriff jemals gehört hatten. 

Der Blick auf ihre Arbeitsweisen kann uns vor Augen führen, dass wir wieder mehr Bewusstsein für gewachsene Strukturen und Materialien und ihre Herkunft bis hin zur Veredelung entwickeln sollten. 

 

Die Werkstatt von Johann Keßler 

Mitte des 19. Jahrhunderts lebte Franz Xaver Keßler (1803- 1874) mit seiner Frau Anna Maria Karolina Gantner (1803- 1879) in Wald. Die große Familie bestand aus 13 Kindern, wobei etliche schon im Kleinkindalter verstarben. Trotzdem gibt es heute eine reiche Nachkommenschaft des Ehepaars Keßler. 

Der älteste Sohn Johann Franz (auch als Franziskus bezeichnet, 1834-1916) heiratete 1878 Maria Luise Burtscher (1840- 1900) aus der alten Familie, die „Schwaldis“ genannt wurde (nach einem Vorfahren, der den Namen Oswald getragen hatte). Das junge Paar bezog ein Haus im Bereich der Parzelle „Botta“. Das Haus ist als gemauertes Gebäude bereits im Katasterplan von 1857 ausgewiesen. Es war damals bereits ein Paarhof, der große Stall befand sich östlich des Hauses und trug eine eigene Bauparzellennummer. Vier Söhne der Fa- milie wurden zwischen 1878 und 1882 geboren, wobei der Erstgeborene 17 Tage nach der Geburt und der Zweitgeborene im Alter von zwei Jahren verstarb. 

Die beiden Söhne Johann (1881-1962) und Anton (1882-1935) bewirtschafteten nach dem Tod der Eltern die Landwirtschaft mit der Unterstützung von Verwandten. Anton verunglückte 1935 bei Holzarbeiten tödlich. Sein Tod soll in der vorangegan- genen Nacht schon angekündigt worden sein („kündat“), wie Menschen aus seiner Verwandtschaft zu erzählen pflegten. 

Johann Keßler war ein großer Förderer der 1930-1932 errichteten Pfarrkirche Wald am Arlberg, bei der er auch als Zimmermeister tätig war. Schon um 1930 stellte er Eschen- skier für die ersten Skiläuferinnen und -läufer in Wald her, wobei einige Paar bis heute erhalten geblieben sind. 

Als sozial eingestellter Mensch war er auch an der Gründung der Harmoniemusik Wald am Arlberg 1954 mit finanziellen Beiträgen wesentlich beteiligt. Seine Wagnerwerkstätte, die er im Stallgebäude betrieb, ist die Grundlage der Schau- werkstätte. 

 

 

Die Zimmerei von Felix Gantner 

Der 1900 in Wald am Arlberg geborene Felix Gantner wuchs in einer kinderreichen Familie auf und war von klein auf mit landwirtschaftlichen und handwerklichen Arbeiten vertraut. 

Seine Lehrzeit absolvierte er bei Johann Keßler. Später arbeitete er in den 1920-er Jahren für längere Zeit in der Schweiz. 1928 bekundete er sein Interesse, die Werkstätte und Säge von Josef Fritsche zu erwerben. Der Standplatz war günstig für einen holzbearbeitenden Betrieb, da er sich nahe an der Alfenz, dem Endpunkt der Holzbringung befand. 

Nach dem Kauf des Areals errichtete er 1930 ein neues Gebäude für seinen Zimmereibetrieb. Lohnende Arbeitsaufträge brachte zunächst der Bau der neuen Kirche von Wald in den Jahren 1930-1932 mit dem großen Dachstuhl und dem Turm- gebälk. Auch bei den Dachkonstruktionen einzelner Galerien der Flexenstraße konnte der junge Zimmermann sich betäti- gen. Seine Handschrift trug auch der 1937 errichtete Schlepplift in Zürs, der erste seiner Art in ganz Österreich. 

Der aufstrebende Tourismus in der Arlbergregion brachte schon vor und vor allem in den wirtschaftlich prosperierenden Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Aufträge für Felix Gantner. Er führte seinen Betrieb bis ins hohe Alter weiter, bis dieser schließlich stillgelegt wurde.